Er ist einer der großen Antihelden der Fantasyliteratur, der
im krassen Gegensatz zu den üblichen Helden des Genres steht. Er ist weder
Conan, noch Gandalf, noch Gilgamesch. Elric ist jemand, den man auf den ersten
Blick nicht als Held bezeichnen würde. Der Albino ist von zarter Gestalt und
sein Überleben wird nur durch schwarze Magie und Drogen erhalten. Sein Vater
hat ihn schon verflucht als seine Mutter im Kindbett starb. Dennoch ist er der
letzte große Hexenkönig der dekadenten Insel Melniboné geworden, weil er aus
der direkten Blutlinie seiner Dynastie stammt. Die Bewohner der Dracheninsel
selbst sehen sich als Nabel der Schöpfung, der mit Arroganz und einer gehörigen
Portion Grausamkeit auf die Menschen niederschaut. Dabei wird übersehen sie
ganz, dass sie einem hausgemachten Ende entgegen gehen.
Elric mag körperlich schwach sein, doch seine Magie ist
ausgeprägter denn je. Er gilt als einer der mächtigsten Zauberer seiner Insel.
Dennoch wird er um seinen Titel beneidet. Vor allem sein Cousin Yyrkoon schielt
schon lange auf den Thron. Geschickt schmiedet er im Hintergrund seine Ränke.
Dies wird auch durch seine Schwester Cymoril begünstigt, die Elric aus tiefsten
Herzen liebt. Sie versucht ihm Kraft zu geben, was ihr sogar oft gelingt. Doch
der Herrscher kann sich nicht ganz seiner Liebe hingeben, denn die Feinde
Melnibonés, im Geheimen unterstützt von Yyrkoon, schlafen nicht. So rüstet sich
die Dracheninsel für eine gewaltige Seeschlacht, für deren siegreiches Gelingen
Elric mit seinen ganzen magischen Kräften ins Zeug legt. Dadurch geschwächt hat
Yyrkoon nun leichtes Spiel sich des Albinos zu entledigen. Er wirft ihn
eigenhändig über Bord, um sich selbst als neuen Herrscher der Dracheninsel
auszurufen. Doch er hat die Rechnung ohne die Mächte des Chaos gemacht. Vor
allem der Gott des Chaos, Arioch, hat einiges Interesse an Elric….
in Antiheld als Protogonist einer Fantasysaga? Eine
recht ungewöhnliche Idee. Als Elric von Melniboné Anfang der 60er Jahre in
Romanform seinen ersten Auftritt hatte, war die Literaturgattung noch nicht so
ausgetreten wie heute. Die Szene war so von Tolkiens Mittelerde-Saga geprägt,
dass man diverse Vorläufer wie Henry Rider Haggard, Edgar Rice Burroughs und
Robert E. Howard oft vergaß. Zwar sind Tolkiens Helden ebenfalls nicht gerade
muskelbepackt, aber Michael Moorcock geht mit seiner Figur sogar noch weiter.
Eigentlich ist Elric gar nicht lebensfähig. Wären seine Drogen und die dunkle
Magie nicht, wäre er wie seine Mutter im Kindbett gestorben. Aber die finsteren
Mächte des Chaos haben ein starkes Interesse an dem Mann, dessen magische
Talente alles übertreffen, was man auf Melniboné gesehen hat. Aus Verzweiflung
lässt er sich dann auch quasi auf einen Pakt mit dem Teufel ein. Arioch
übergibt Elric das Schwert Sturmbringer mit dem alle körperlichen Probleme über
Nacht nichtig werden. Doch die Lebenskraft hat einen Preis, denn die Dunkle
Klinge ernährt sich von Seelen und ist der Auswahl der Opfer nicht gerade
zimperlich.
Michael Moorcock hat das Rad mit dem Melnibonér nicht neu
erfunden, schafft es aber den Leser mit sehr knackig geschriebenen Romanen bei
der Stange zu halten. Die Bücher um den Albino sind zu stilgebenden Vorbildern
des Genres geworden, die heute noch gerne zitiert werden. Sei es nun in
Rollenspielen wie Dungeons & Dragons oder in der modernen Fantasyliteratur.
Sogar ein eigenes Rollenspiel hat Moorcocks Saga vor einer Zeit hervorgebracht.
Weil Moorcocks Erzählstil sehr plastisch ist, wurde Elric
von Melniboné schon relativ für das Medium Comic entdeckt. Bereits Anfang der
70er Jahre traf er Dank Roy Thomas auf Conan the Barbarian, obwohl beide im
Grunde genommen in verschiedenen Universen leben. Aber erst mit Phillipe
Druillet bekam der Herrscher der Dracheninsel ein richtiges Gesicht und gab
somit die Richtung für seine Nachfolger hervor. Danach versuchten sich
zahlreiche Künstler wie Frank Miller, Mike Mignola, Walter Simonson und Michael
Whelan an der Figur. Vor allem Whelan erwies nach Druillet mit seinen
Illustrationen zu späteren Ausgaben der Romane als derjenige, der das Bild von
Elric prägte.
Julien Blondels Adaption hält sich inhaltlich eng an die
Vorlage, wirkt aber kein Sekunde lang angestaubt. Er greift die Elemente der
eigentlichen Geschichte auf, fügt aber noch die eine oder andere Nuance hinzu.
Vor allem die Rolle von Cymoril wurde stark erweitert, was einige neue
Möglichkeiten ergibt. Auch der Konflikt zwischen Elric und Yyrkoon tritt etwas
deutlicher zutage als in der Vorlage. Der Mix aus alten und neuen Element
bietet dem Leser auch einigen Spaß.
Unter der Mitwirkung von Didier Poli, Robin Recht und Jean
Bastine wartet der erste Band eines geplanten Fünfteiler mit episch breiten
Zeichnungen auf, die sich oft über große Doppelseiten erstrecken. Auffallend
ist dabei der Detailreichtum, den die Zeichner an den Tag legen. Vor dem Auge
des Lesers lassen sie ein gewaltiges Fantasyepos entstehen, bei dem man sich
fragt, warum es noch nicht den Weg auf die Leinwand gefunden hat. Weder Autor
noch Zeichner verlieren dabei nicht die eigentliche Vorlage aus den Augen, denn
die Handschrift Moorcocks ist noch deutlich zu erkennen. Als Leser der Romane
ist man von der Umsetzung beeindruckt, als Neuleser entdeckt man eine alte
Perle wieder, die einer jüngeren Lesergeneration noch unbekannt ist. Auf jeden
Fall ist diese französische Adaptation des Stoffes ein richtiges Highlight, das
man sich nicht entgehen lassen sollte.
Begünstigt wird dies auch durch die wie immer spitzenmäßige
Umsetzung des Bandes durch den Splitter Verlags. Auf dem ersten Blick
erscheinen rund 15 Euro für den Band als viel, aber wenn man die gewohnt
hervorragende Druckqualität anschaut, dann kann man das verschmerzen. Hinzu
kommt noch ein sehr ausführlicher redaktioneller Teil mit zahlreichen Entwürfen
und Hintergrundinformationen.
Elric
Band 1: Der Rubinthron
von Julien Blondel
Zeichnungen: Didier Poll, Robin Recht & Jean Bastide
nach einer Idee von Michael Moorcock
erschienen im Splitter Verlag im Dezember 2013
ISBN: 978-3-86869-658-5
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